Der 1950 in Cannes geborene Richard Galliano gilt international als Entdecker des Akkordeons für den Jazz. Bereits im Alter von vier Jahren wird er von seinem Vater neben seinem Hauptinstrument, dem Akkordeon, auch mit dem Klavier vertraut gemacht. Mit 14 beginnt er systematisch verschiedensten Jazz zu hören, um seinen musikalischen Horizont zu erweitern und diesen Katalog von Hörerfahrungen für das Akkordeon zu adaptieren. Sein bevorzugter Input kam dabei erklärtermaßen von John Coltrane, Charlie Parker, Keith Jarrett, Elvin Jones und Bill Evans.
Während seines Studiums für Posaune, Harmonie und Kontrapunkt an der Musikhochschule in Nizza gewinnt er einige angesehene Wettbewerbe. 1973 zieht er nach Paris und arbeitet lange Jahre mit Künstlern wie Juliette Gréco, Georges Moustaki und Charles Aznavour. 1983 lädt Astor Piazzolla Galliano ein, den Part des Bandoneon-Solisten im Shakespeare-Klassiker „A Midsummer Night´s Dream“ an der Comédie-Française zu übernehmen, für den Piazzolla die gesamte Musik komponiert hat – der Beginn einer langen Freundschaft zwischen beiden, die bis zum Tod Piazzollas 1992 anhält.
Inspiriert durch den Tango Nuevo seines Freunds und Mentors findet Galliano zu einer Synthese von zeitgenössischem Jazz mit der Musette, einer traditionellen Walzerform aus den Pariser Vorstädten. Dass der als New Musette etablierte Stil so unbekümmert Genregrenzen überwindet, verdankt sich seiner Herkunft: nicht nur der Jazz, auch die Musette ist ursprünglich eine Mischform – als Melange lokaler Walzertraditionen, italienischer Zigeunerlieder und französischer Chansons hat sie sich zu einer eigenständigen Gattung entwickelt, die mehr ist als die Summe ihrer Teile.
Seit 1980 hat Richard Galliano mehr als zwei Dutzend Alben veröffentlicht und sich die Bühnen internationaler Konzerthäuser mit herausragenden Jazz-Musikern wie Chet Baker, Ron Carter, Charlie Haden, Bobby McFerrin, Gilberto Gil, Al Foster, Jan Garbarek, Joe Zawinul, Biréli Lagrène, Enrico Rava, Martial Solal, Miroslav Vitous, Trilok Gurtu, Michel Petrucciani, Michel Portal, Jean Toots Thielemans und Manu Katché geteilt.
Außerdem ist er Stammgast auf den großen Jazzfestivals weltweit wie dem Montreux Jazz Festival, dem Jazz Fest Wien und dem North Sea Jazz Festival, zudem Träger zahlreicher Preise und Auszeichnungen wie dem französischen ’Prix Django Reinhardt’ und dem ’Victoire de la Musique’.
Im September 2008 erschien Gallianos aktuellstes Album „Love Day“, diesmal mit einer Starbesetzung im Quartett: Gonzalo Rubalcaba (p), Minu Cinelu (perc) und Charlie Haden (db). Zwei erfolgreiche Tourneen mit demselben Line-Up folgten im Herbst und Sommer.
Richard Galliano entdeckt in seinem Instrument ungeahnte orchestrale Qualitäten, sein Vortrag ist leidenschaftlich, zuweilen äußerst dramatisch, mitunter auch zärtlich, kurzum: höchst dynamisch, bisweilen auch dissonant. Als Komponist nimmt er sich die Freiheiten, die großen Virtuosen zustehen. Darüber hinaus ist er einer der intimsten Kenner des Werks von Astor Piazzolla und einer seiner wagemutigsten Interpreten.
Seine Konzerte gelten als legendäre Events und hinterlassen stets überwältigte Reaktionen – Klaus Tenner im Branchenmagazin Tastenwelt: „Galliano lotet sein Instrument bis aufs Letzte aus. Scheinbar mühelos perlen Läufe in der rechten Hand, donnern Bässe und Akkorde dagegen, aber alles mit einer atmenden Leichtigkeit, die aus der Musettemusik stammt. Eine gewaltige Palette an Emotionen entlockt Galliano dem Akkordeon. Und wird nie müde, sein Instrument immer wieder aufs Neue zu erforschen und neue Ausdrucksmöglichkeiten zu suchen.“